Ein Film will oft Sehnsucht kreieren: Laura Tonke im Interview

Das Interview habe ich für meine alte Seite Farbensportlich im Jahr 2018 geführt.

Laura ist Heinz und Marc ist Hans. In „Zwei im falschen Film“ von der „Mängelexemplar“-Regisseurin Laura Lackmann wird mit Klischees und Geschlechterrollen so gespielt, dass es schon mal zu Verwirrungen kommen kann. Bloß gut, dass sich Hauptdarstellerin Laura Tonke Zeit genommen hat, um genauer über die festgefahrene Beziehung von Heinz und Hans zu sprechen. Außerdem berichtet sie über ungesunde Wünsche, die Filme in einem wecken können, und sie gibt Einblicke, wie sie versucht, dem vorherrschenden Selbstoptimierungswahn aus dem Weg zu gehen.

Der Film hat etwas sehr Surreales, findest du nicht auch? Aufgrund eurer Outfits und der vielen Ebenen, die sich mehr und mehr auftun.

Ja gerade der Anfang des Films ist überhöht. Marc und ich spielen so seltsam, dass ich beim ersten Mal gucken richtig lachen musste und dachte: „Oh das könnte man jetzt auch richtig schlecht gespielt finden.“ Aber dann gewöhnt man sich dran und versteht, dass es auch ihre Art als Paar ist miteinander zu sein. Ich mag es. Und ja, die Kostüme sind Teil davon. Rot und Blau. Ein Mann und eine Frau. Das war alles Konzept von Laura Lackmann.

Wie war das für Marc Hosemann, der deinen Partner Hans spielt?

Ich habe mich am Anfang gefragt, wie das für Marc wohl ist mit uns beiden Lauras zusammenzuarbeiten. Laura und ich sind seit 10 Jahren befreundet, wir haben jetzt das dritte Mal zusammengearbeitet. Aber er ist so cool und es war ein Traum mit ihm zu arbeiten. Wir haben ihm allerdings viel über den Kopf gestreichelt und gesagt: „Du bist so süß, kannst du den Satz noch mal anders sagen? Ach du bist so niedlich. Und du bist so ein hübscher Schauspieler!“ Das muss man auch erst mal aushalten. Aber wir konnten nicht anders, wir waren beide so verliebt in ihn.

Der Film stellt die Beziehung als etwas auf Dauer ziemlich Ermüdendes dar. Eine Ausgangssituation, die es selten auf der Leinwand zu sehen gibt.

Klar, weil ein Film Illusion ist. Ein Film will oft Sehnsucht kreieren. Diese Sehnsucht kann auch Teil des Kapitalismus sein, denn es wird suggeriert, dass es nie genug ist. Man selbst ist nie genug und deshalb muss man sich und seine Beziehung immer weiter optimieren. Zufriedenheit würde ja eventuell wirtschaftlichen Stillstand nach sich ziehen und daran hat die Gesellschaft kein Interesse. Aber da ist jeder für sich gefragt, wie reflektiert man ist und wie sehr man sieht, dass selbst die Beziehung vom Kapitalismus infiltriert ist. Ich habe vor rund zwei Jahren den Punkt erreicht, an dem ich stark reflektieren und neu schauen musste, warum ich Filme machen möchte.

Meinst du, nachdem du beim Deutschen Filmpreis für „Hedi Schneider steckt fest“ als Beste Hauptdarstellerin und mit „Mängelexemplar“ als Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurdest?

Ja, das hat etwas geändert. Ich fühlte mich plötzlich so unter Beobachtung. Bis dahin konnte ich immer einfach so vor mich hinspielen und dann stand ich mehr im Mittelpunkt, das war ich nicht gewöhnt. Es kamen am Anfang manchmal so witzige Bemerkungen von Kollegen wie: „Psst, seid leise die doppelte Filmpreisträgerin spricht!“ Und auch wenn ich das lustig fand, hat es mich sehr verunsichert. So schön die zwei Preise auch sind, brauchte ich danach erst mal Zeit um nachzudenken, wie es weitergehen soll und was mich am Filmemachen eigentlich interessiert. Ich überprüfe aber eh öfter, ob mein Leben so ist wie es mir gefällt und frage mich ob ich was ändern sollte.

Aber irgendwann reicht es auch mit dem ganzen Überprüfen, oder?

Stimmt schon. Kann es sein, dass Frauen mehr überprüfen als Männer? Manchmal habe ich das Gefühl. Ein Grund dafür ist bestimmt, dass sie dazu erzogen werden, sehr selbstkritisch zu sein. Sie schätzen sich meist schwächer ein als sie sind. Männer trauen sich mehr zu. Wobei ich es spannend finde, dass die „MeToo“-Debatte aufgezeigt hat, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Wir alle leiden unter diesem System, Frauen und Männer, und wir haben jetzt die Chance, das zu ändern.

Wie ist es mit dem Selbstoptimierungswahn, der speziell durch Instagram beworben wird – kannst du dich da einfacher rausziehen?

Ich versuche es zu vermeiden, mich dort reinziehen zu lassen. Ich möchte mich lieber darauf besinnen, was mir wichtig ist. Aber manchmal kommt es vor, dass ich mich ein bisschen verliere und dann überkommt mich ein Rundum-Selbstoptimierungswahn, der gar nicht zu bewältigen ist. Dann will ich mehr intellektuelle Bücher lesen, besser essen und mehr Sport machen. Mein Beruf bringt es auch mit sich, dass man ständig reflektiert und sich fragt, was man eigentlich will. Welche Rollen will man spielen und was bedeutet das für einen selbst? Welche Frauenbilder möchte man verkörpern? Was daran so absurd ist: Ich will Frauen mit nicht so perfekten Körpern im Film sehen, gehe aber selbst ins Fitnessstudio.

Ich stelle es mir schwierig vor, jeden Tag vor die Kamera treten zu müssen, egal wie man sich gerade fühlt.

Das ist ja mein Beruf, den ich liebe. Ich freue mich eigentlich jeden Tag auf die Arbeit. Und wenn es dann mal einen Tag gibt, an dem man sich nicht wohlfühlt, dann gibt es immer so viele Leute um einen herum, mit denen man reden kann. Das ist ja das Tolle am Drehen. Das es Teamarbeit ist.

Wie idealistisch gehst du an die Rollenauswahl heran?

Im Moment kann ich es mir leisten wieder ziemlich idealistisch zu sein und überlege genau, was mich wirklich interessiert und wo ich noch hin will.

Wie ist es mit Laura Lackmann zu arbeiten? Ist sie sehr klar in ihren Aussagen?

Ja und sehr mutig ist sie auch. Sie pfeift auf die Meinungen anderer, was mich positiv antreibt. Sie ermuntert einen dazu, mehr Quatsch am Set zu machen. Versprecher findet sie gut. Wenn einem die Hose herunterrutscht, kann das auch verwendet werden. Das vermeintlich Fehlerhafte wird bei ihr gefeiert und benutzt. Das ist richtige schauspielerische Befreiung. Ich hatte schon Momente, in denen mir von Regisseuren gesagt wurde, ich hätte absolute Freiheit und könne einfach drauflosspielen. Doch wenn ich das tat, kam zurück: „Na das war jetzt sicher ein Witz. So meinte ich das natürlich nicht!“ Aber Laura will wirklich die ganze Freiheit. Sie vertraut einem.