Das Interview habe ich für meine alte Seite Farbensportlich im Jahr 2017 geführt.
Immer nur das Gleiche tun? Darauf hat Fahri Yardim keine große Lust. Deshalb kommt nach „Halbe Brüder“ und „Tschiller: Off Duty“ jetzt „Whatever Happens“. Ein Film über Trennung. Herzschmerz. Aber weniger kitschig, mehr reserviert. Alles hat nun mal ein Ende. Da kann man nur von Glück reden, dass Yardim im Interview nicht so sparsam mit seinen Worten umgeht, wie seine Figur im Drama mit seinen Gefühlen.
Denn eine Sache sollte gleich klargestellt werden: Der Schauspieler ist ganz sicher nicht mit seiner Rolle gleichzusetzen. Vielmehr lernt man Fahri Yardim als jemanden kennen, der ein echter Künstler ist, aber viel zu bescheiden, um sich selbst jemals als solchen zu bezeichnen.
Wie hat deine Liebe zur Schauspielerei begonnen?
Das hatte viel mit frühkindlichem Narzissmus zu tun. Auf die ersten Bühnenerfahrungen in der Schulzeit folgten die ersten Liebesbriefe. Ein prägendes Moment. Ich habe natürlich gedacht, das mache ich beruflich! (lacht) Ich wollte anerkannt werden. Eher als Nebenprodukt entdeckte ich meine Freude am Spiel. Meine Lücke im deutschen Film fand ich bald dank Moritz Bleibtreu. Als ich ihn sah, wie er seine Hamburger Schnauze auf die Leinwand klatschen durfte, fühlte ich mich neben den sonst so elitären Schauspielerkreisen willkommen im Filmzirkus.
Wann und wie kam der Moment, in dem du dir dachtest, dass du selbst im Filmbusiness mitmischen könntest?
Das ist ja noch mal eine andere Welt.Ach, da kam eins zum anderen. Eigentlich eine langweilige Geschichte. Ich müsste kitschig werden …
Du kannst flunkern.
Danke, mache ich gerne in Interviews. Die banalen Wahrheiten interessieren doch keinen Pfau.
Wieso wolltest du in „Whatever Happens“ die Hauptrolle übernehmen?
Der Reiz bestand darin, eine für mich ungewöhnliche Rolle zu übernehmen. Ich bin ein Kontrastmensch. Diversität ist mein Leitmantra. Ich wollte eine andere Facette von mir bespielen. Selbst ich werde älter und will dem jugendlichen Gewitzel etwas Reife hinzufügen.
Und das konntest du mit diesem Drama?
Ja, ich mochte die Ernsthaftigkeit, mit der über diese moderne Art der Beziehung reflektiert wird. Im Film geht die Frau arbeiten und der Mann bleibt mit dem Kind zuhause. Doch so modern ihre Rollenverteilung auch anmuten mag, ihre Konflikte rühren aus dem Unterbewussten. Es zeigen sich immer noch patriarchische Ideen in ihnen, die im Kontrast zu ihrem eigenen Anspruch stehen.
Wie hast du die Zusammenarbeit mit Sylvia Hoeks erlebt?
Eine bezaubernde Kollegin. Du musst wissen, ich habe sie groß gemacht! Nach unserem Intermezzo in Whatever Happens folgte für sie die Weltbühne, sie spielte in „Blade Runner 2049“ mit Harrison Ford und Ryan Gosling, die sie bei unserem späteren Wiedertreffen nur vertraut „Harrison“ und „Ryan“ nannte. Natürlich! Auch wenn sie jetzt First Class fliegt, ich schätze sie sehr. Neben dem Spiel verband uns ein wunderbar dreckiger Humor, der uns über alles Märchenhafte hinweghalf.
Trotzdem ist der Film so ernst ausgefallen.
Das ist wie bei Ärzten, die nach einer OP Scherze machen müssen, um sich zu erholen. Wenn man aufwacht und sie erzählen dir, sie hätten eine Schere im Magen vergessen … Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Hast du dir eine Hintergrundgeschichte zu deiner Figur überlegt? Denn, wie gesagt, oft lässt der Dialog vieles offen.
Ich finde es angenehm, dass dem Publikum nicht alles diktiert und Raum für eigene Erfahrungen und Interpretationen gelassen wird. Sicher mache ich mir auch Gedanken zu meiner Figur. Nur werde ich dir jetzt nicht meine Zaubertricks verraten. Sonst kann das ja jeder und selbst du könntest sofort im Filmgeschäft mitmischen! (lacht)
Wenn du exakt weißt, wie man was erzeugt – wie kannst du dir da noch eine Art Magie beim Film erhalten?
Ach, ich bin gar nicht so ein handwerklicher Schauspieler. Bei mir läuft es eher instinktiv und das Meiste findet sich in Gesprächen mit dem/der jeweiligem/n Regisseur/in. Oft brauche ich ‘n paar Tage, um in eine neue Rolle reinzuwachsen. Es gibt viele Schauspieler, die einem am Set damit volltexten, welche Schauspielmethode sie gerade furchtbar spannend finden. Im Spiel vertraue ich aber dem unmittelbaren Boden mehr, als dem theoretischen Überbau.
Du kannst also immer noch nicht fotografieren, wie es deine Figur als Fotograf im Film nahelegen würde?
Selbstverständlich, ich war vorher acht Monate lang in Afghanistan und habe mich mit Kriegsfotografie auseinandergesetzt. Da musste jedes Ding stimmen. Nimmst du mir das nicht ab, oder was?
Sicher. Schusswunden hast du auch davongetragen?
Während der Dreharbeiten nannte man mich liebevoll „Schweizer Käse“.
Den Kriegsfotografen in dir sieht man also da?
Sicherlich eine engagierte Vorbereitung, aber es ist besser vorher eins draufzusetzen, um im Filmischen zurückzurudern.
Subtiles Spiel nenne ich das.
Du kannst das nennen wie du willst. Ist ein freies Land. Ich komme ja gerade aus Afghanistan und kann dir sagen: Uns geht’s ganz gut!
Das du noch lächeln kannst.
Zynismus, reiner Zynismus …
Jetzt mal ehrlich: Welches aktuelle Thema beschäftigt dich gerade?
Ich suche momentan nach einer guten Meditationsanleitung. Ich bin so empfindlich bei Stimmen. Es gibt viele, die übersanft, falsch gefühlig oder dann wieder zu stakkatoartig klingen. Ich hätte gerne eine schöne Stimme für den Weg zum und vom Set nach Hause. Darüberhinaus beschäftigt mich natürlich nur tief Weltbewegendes. Lieferdienste zum Beispiel … Und mein Home-Button vom Handy geht nicht.
Das neue iPhone hat eh keinen Home-Button mehr.
Ja, aber über 1000 Euro für so was ausgeben? Ich meine, was kann das denn? Fliegen? Damit soll man fantastische Fotos machen können. Da investier ich lieber in eine Leica.
Ok, und was beschäftigt dich sonst noch so?
Zeit. Ich bin jetzt Papa geworden und seitdem sehe ich meine Freunde viel weniger. Außerdem ärgert mich, dass ich zu früh geboren bin, um die Erfindung mitzuerleben, die es uns ermöglicht aus dem Stegreif abzuheben. So Iron-Man-mässig.
Dann höre auf mit dem Meditieren und baue selbst was in die Richtung.
Wir sind einfach noch nicht so weit. Da müssen erst noch ein paar Leute abstürzen.
Du möchtest nicht zu diesen Leuten gehören?
Ich will keiner dieser Pioniere sein, die dann noch mit gebrochenen Knochen und Gips aus dem Krankenhaus drei legendäre Sätze von sich geben. Aber es macht mich wahnsinnig, dass die Gegenwart der Zukunft immer ein bisschen hinterherhinkt. All die verpassten, verheißungsvollen Innovationen. Eine Beam-Maschine wäre doch toll. Aber bis die kommt, ist man selbst schon zu gebrechlich und die Jugendlichen lachen über einen, weil man so ein doofer Opa ist und eh nicht mehr gebräuchlich für die Welt. Und dann realisiert man, dass man in einer Welt mit Beam-Maschine hätte leben können, sich selbst aber noch immer in ein zu enges Flugzeug quetschen musste.
Technische Innovationen sind doch ziemlich egal, wenn ein Sturmtief wie Xavier mit einem Mal alles aushebelt und nichts mehr deutschlandweit geht. Da kriegst du auch deine nötige Freizeit!
Komplette Entschleunigung, das war toll. Aber gleichzeitig war es heftig zu sehen, wie diese alten Bäume, die schon so vieles ausgehalten haben, genau bei diesem Sturm umgehauen wurden. Es hat den Gedanken an die eigene Vergänglichkeit wiederbelebt. Raus aus der Entfremdung und rein ins Wesentliche.
Das tut sicher mal ganz gut – so viel wie du gerade drehst und Vatersein ist sicherlich auch nicht nur einfach.
Systemkonform betrachtet dürfte man keine Kinder kriegen. Sie sind kleine Antikapitalisten. Sie sind ein Geschenk für die Seele, und dabei so wunderbar unökonomisch, langsam, alles verzehrend, was sich ihnen an Profitgedanken in den Weg stellt. Kinder sind herrlich schwere Bremsklötze in der Rush Hour des Lebens.
Früher hast du mit Tocotronic dein Rebellentum gezeigt. Und jetzt rebellierst du, indem du ein Kind hast?
Kindermachen ist in jedem Fall eine Rebelion gegen sich selbst. (lacht) Ich bemerke, dass ich mich heute wieder wesentlich kritischer äußere. Als Jugendlicher traute ich mir den Widerstand noch selbstverständlicher zu, zwischenzeitlich habe ich mich verseichten lassen durch die Anpassungszwänge einer Kulturindustrie. Die zunehmende Gelassenheit des Älterwerdens führt mich aber glücklicherweise zurück zu „euer Geld kann mich ma’ am Arsch lecken!“